Bild: Über den berühmten Wiesner Viadukt führt die Strecke beim "crazy peak experience"...Swiss Alpine Marathon Davos 2005, 78.5 Km, +/- 2320 Meter Höhendifferenz, höchster Punkt 2632 Meter (Keschhütte), über den halsbrecherischen Panorama-Trail 7 km lang zum Scaletta-Paß, 2606 Meter ...

Und das in 10:07:13 h  

ZEN und Laufen

ZEN   

Ist unverständlich? ZEN betont die eigene Erfahrung. Man muß aufgeben, was man sich alles verstandesmäßig erarbeitet hat. Man haftet an keinen Gedanken mehr, und diese leere, aber dynamische LEERE ist die Essenz des Geistes.

Man kann ZEN verstehen oder es zu verstehen versuchen- oder es aber verwirklichen.

Wenn man jemandem, der noch nie Schokolade gegessen hat, diesen unbeschreiblichen Geschmack beschreibt, diese herbe Süße bei dunkler Schokolade, wie sie zerschmilzt, die Sinne betört und glücklich macht- er wird es in etwa verstehen. Allerdings eben nur verstehen ...

Kostet er dagegen, kann es sein, er will nicht mehr aufhören, ißt die ganze Tafel- oder findet den Geschmack zu herb, zu süß und möchte etwas anderes ...

ZEN- man sagt, man geht durch das torlose Tor; ich habe außer meinen eigenen bescheidenen Bemühungen nichts vorzuweisen, kann mit nichts imponieren, kann Dir nichts zeigen. Doch wo es NICHTS zu erreichen gibt, WAS sollte ich da dann vorweisen?

Vielleicht fragt sich nun der Leser, weshalb ich Zen und Laufen zusammen erwähne: ZEN praktiziert man im Sitzen, Laufen ist Bewegung und Aktivität- dennoch ist es dasselbe, sofern man beides in reiner Form, in rechtem Bewußtsein ausübt. Namhafte Zen-Meister (K. Sawaki, S. Suzuki, T. Deshimaru) lehren, daß Za-Zen nicht aufhört, sobald man das Sitzkissen verlässt, sondern daß man in seinen täglichen Aktivitäten genauso praktiziert wie auf dem Kissen. Man lebt den ganzen Tag im Zen-Geist.

Somit ist alles Za-Zen, weil alles unsere Buddha-Natur ausdrückt. Dann erst recht natürlich Laufen, das ohnehin durch seine Monotonie und permanente Wiederholung einen stark meditativen Charakter aufweist. Dies hat der verstorbene Sri Chinmoy betont, ein indischer Meditations- und Lauflehrer. Ich behaupte, daß ein Anfänger zunächst leichter mit Laufen seine Gedanken zur Ruhe bringen kann als durch Meditation. Später kehrt sich das allerdings um.

Laufen oder Neudeutsch running ... ^^

Beginnt ähnlich, man joggt, die Strecken  werden länger, und wenn Du mal länger läufst, dann leert sich Dein Geist so nach 90 Minuten immer mehr. Du denkst nicht mehr an irgendwas, DU LÄUFST nur noch. Der Wind bläst von vorne- na und? Du läßt ihn durch Dich hindurch, wirst EINS mit ihm.

Der Körper glättet den Geist ... Das habe ich schon oft so empfunden: Da Körper und Geist eine Einheit sind, tauchen vermehrt Gedanken auf und nerven Dich, wenn Du durch zu wenig Bewegung, durch zu viel Streß oder Sorgen nicht im Körper/ Geist-Gleichgewicht bist, sage ich jetzt mal. Das ausgeschüttete Adrenalin im Körper und Gedanken-Fluten sind eins. Schon nach weniger als 5 Minuten spüre ich eine Harmonisierung, der Geist wird durch den sich erholenden, sich freier fühlenden Körper "geglättet" und der Geist kehrt in seinen Urzustand zurück: Hier IST er einfach und muß nichts denken, nichts bewerten oder sich über etwas aufregen. Ein Zustand voller Frieden und in absoluter Harmonie- und das geht schneller als durch Meditation, man ist wieder mit sich und selbst der nervigen,"bösen" Welt im Gleichklang ...

Kein Ärger, wäre Energieverschwendung ... Und wenn der Wind und Du EINS sind, dann stört er nicht mehr.

Auftauchende Schmerzen in der Fußsohle, Brennen: Du wirst EINS mit diesem lästigen Schmerz- und plötzlich spürst Du nichts mehr, bekommst neue Energie, glaubst zu schweben, leicht wie eine Feder, bist nur glücklich.

Du handelst spontan, tust genau das Richtige: Atmen, am Verpflegungsstand trinken, weiterlaufen ... In dieser schöpferischen Leere laufe ich meine Ultra-Läufe wie in einer Watte-Wolke eingesponnen, Denken würde das Ganze schwer machen.

Das Zeitgefühl schwindet, und so ist zu erklären, daß immer die zweite Hälfte eines Ultra`s subjektiv KÜRZER empfunden wird trotz körperlicher Ermüdung- zumindest von mir. Der Körper schüttet Endorphine aus, körpereigene Opiate und unterstützt uns so, schwierige Situationen zu überstehen ...   

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