Zieleinlauf 100 Km Biel 1991, Zeit 8:58 h, einfach happy ...

        Lebens-Lauf ...

Ich lief am Tage, in der Nacht, in die Nacht hinein und aus der Nacht hinaus in den jungen Morgen, ich lief bei Minus 20 Grad, Schneetreiben, Sturm, im Tiefschnee, z. T. auf Glatteis, im Schlamm, auf gepflegtem Asphalt, auf Kieswegen, Waldwegen, über Wiesen-Trails, auf Berg-Pfaden, Felsplatten, Geröll im Hochgebirge, watete durch Bäche, es ging über Treppen, Brücken, Stege, einen Viadukt und durch Tunnels, über Schneefelder- und immer war es schön ...

Ich lief bei 38 Grad Hitze, bei Regen, Starkregen und Wolkenbruch, Hagel und Gewitter- uiiii- als Tschernobyl in die Luft flog und bei den Pershing-Demos ums Atomraketen-Camp, Nebel und schönem Wetter natürlich auch ... Immer war es gut ...

Ich laufe flach, Berge hinauf und hinunter, Rolltreppen entgegen der Laufrichtung hinauf, ich überstand Attacken von Hunden, Raubvögeln und Menschen, Autofahrern und herabfallenden Ästen und Äpfeln sowie eines schleudernden Autos- immer erlebst Du was, mich grüßen und ich grüße freundliche Menschen, andere äußern sich abfällig, aber immer bringt mir der Lauf Freude und Entspannung.

Manchmal sticht mich der Hafer ... Dann gönne ich mir einen fun-run, z. B. im Urlaub in Oberstdorf auf das Nebelhorn hinauf und wieder runter- in Schönau am Königsee über die Rodelbahn auf die Mittelstation des Jenner und runter- in Schönau auf den Grünstein und runter- und am Königsee außen an Hackl Schorsch`s Bob-Bahn rauf und in der Röhre runter (das Gefälle ist für einen Läufer easy zu laufen)- Rollband-Sprint im Konsum-Tempel entgegen der Lauf-Richtung ... Früher sprang ich im Kopf-Sprung vom 10 Meter-Turm, heute reichen mir diese fun-runs ohne Zeit-Streß - macht irre Spaß!!!

Und deswegen laufe ich eben weiter ... There is no finish line ...

 

      Impressionen von einem lockeren Trainingsläufchen bei Hitze 

Eine Nachbarin sagte mal zu meiner Liebsten: "Wenn ich Ihren Mann laufen sehe, sieht das immer so leicht aus, als wenn er sich überhaupt nicht anstrengen muß"... Meine Frau lächelte süffisant und meinte nur: "Alles, was so leicht aussieht, ist das Ergebnis harter Arbeit"... Tatsächlich sieht man mir nicht an, wenn ich k.o. bin, z. B. bei einem harten Wettkampf- weil ich da einfach loslasse und meistens lächle, wenn mir Zuschauer begegnen. So kam es des öfteren, daß ich zu hören bekam: "Schöööön locker, ja Chapeau!" Und das auf den letzten Kilometern in Biel beim Hunderter oder beim Davoser Berg-Klassiker, wo man schon echt gefordert und auch breit ist am Schluß.

Das Thermometer zeigt heute 30 Grad im Schatten, aber ich kann die geplanten 75 Minuten Training nicht anders unterbringen als jetzt so gegen 13 Uhr. Ich sammle mein Equipment zusammen, verpflastere die Brustwarzen- denn je heißer, desto eher scheuert das Laufhemd sie sonst blutig-, binde die Haare zu einem Pferdeschwanz, schmiere stiefelsdick Sonnenblocker auf die nackte Haut und setze die Sonnenbrille auf samt Cap- gegen Sonnenstich. Reichlich hydriert bin ich, und tschüs ...

Draussen empfängt mich eine Hitzewand, es fühlt sich an, als wenn man eine Sauna betritt. Ich laufe locker los, die Hitze wird vom Asphalt reflektiert. So geht es etwa 5 Minuten durch die Ortschaft, dann einen kurzen steilen Stich runter und schon bin ich im Wald. Ahhh, geil ... Sofort sinkt die Temperatur um 10- 15 Grad, ich kann wieder befreit atmen. Nun habe ich mein Wohlfühltempo und laufe locker immer tiefer in meinen Märchenwald. Der Kies knirscht unter meinen Sohlen, Stille umfängt mich wohltuend. Nur Vögel zwitschern, und das während meines gesamten Waldaufenthaltes, ich liebe diese Piepmätze. Ich laufe Richtung Götzenmühle, einem idyllisch im Wald gelegenen Bauernhof mit kleinem See und einigen Fremdenzimmern. Die Walliser Bergziegen fressen genüsslich ihr Gras, ihre Halsglocken höre ich schon von weitem. Neugierig schauen sie mich an, einige meckern lustig vor sich hin.

Rechts neben dem Weg plätschert ein kleines Bächlein, das ich sehr liebe. Es windet sich anmutig durch den dunklen Wald und verbreitet eine angenehm-romantische Stimmung. Gerade bei Hitze signalisiert es Leben, Wasser ist Leben, was ein Runner besonders gut weiß und schätzt. Jetzt geht es steil hoch, also 1. Gang und auf den Ballen hochwippen. Mein Atem geht heftig, ich atme tief aus. Ich bin zwar jetzt patschnaß, aber atme locker und empfinde das Ganze kaum noch als Anstrengung. Ich laufe im steady state, also im Sauerstoff-Gleichgewicht, bin im Fluß mit mir, dem Wald und meinem Tun. Ich bin dankbar, daß ich die Fähigkeit besitze, so locker laufen zu können und zu dürfen ... 

Der Weg schlängelt sich jetzt ständig bergan, mal geht es kurz heftig und steil hoch, dann wieder gemütlich, relativ flach. Allerdings ist der Untergrund etwas ruppig, größere Steinbrocken erfordern Aufmerksamkeit. Nun kommt ein heftiger und etwa 5-minütiger Berganstieg, dann knallt mir die Mittagssonne auf die Mütze.

Ich habe das Plateau erreicht, wo die 5 Growians, zu Deutsch Große Windanlagen, stehen und kaum hörbar mit ihren Rotoren vor sich hinrauschen. Ich finde sie ästhetisch, ökologisch sinnvoll und ein Meisterwerk der Ingenieurs-Kunst dazu- allemal besser als ein Atomkraftwerk. "Windkraft-Anlage: Eisfall möglich!" warnt ein weißes Schild eindringlich. Das liebe ich an Deutschland besonders, diese Fürsoge ... *Grins* Ich laufe direkt unter dem Rotor durch und passiere den zweiten Turm.

Ich sehe schon den Waldrand und wieder geht es in den Schatten des Waldes rein, wo ich einen steilen Weg runterdonnere, weil mich gerade der Hafer sticht ... Hier komme ich wieder auf meinen ursprünglichen Weg. Jetzt geht es Richtung Heimat, nur geht es die Steigungen jetzt rauf und nicht wie am Anfang runter ...

Meine Gedanken sind jetzt versiegt, nur manchmal sehe ich ein großes Glas Apfelsaft-Schorle vor meinem geistigen Auge. Eine nicht bezahlbare Befriedigung macht sich in mir breit, ich hechle den zweitletzten Stich hoch auf den Zehenspitzen, jetzt knallt mir die Hitze wieder voll drauf. Ein paar Passanten schauen mir nach, sie kennen den Spinner und wundern sich nicht mehr, warum ich bei diesem Badewetter laufe. Wenn man so bescheuert ist und 100 Kilometer läuft, tztztz ... Nur deswegen ist der so dürr ... Ich schleiche durch den Ort und erreiche locker mein Zuhause. War ja nur ein 75-Minuten-Trip, also bin ich weder müde noch geschafft, aber es reicht andererseits auch.

Nun erst abtrocknen, umziehen und das Equipment versorgen, dabei schwitze ich noch lange nach. Dann trinken, trinken, trinken. Nun kommt das Highlight: Erst lauwarm, dann heiß und dann eiskalt duschen. Wow, wie schön! Dann hat meine Liebste schon das Essen parat, es gibt erst eine halbe Melone, dann eine Ladung Penne mit Zucchini-Auberginen-Gemüse, dazu ein Gläschen naturtrüben Apfelsaft pur. Als Dessert Obst sowie einen Prinzen-Keks (jepp, den Doppeldecker mit Schokocreme dazwischen) samt 2 Stückchen Schoggi, eins Vollmilch und eins Zartbitter und als Schluß ein Tässchen coffeinfreien Kaffee. Ich sags ja: Von wegen Asket ... ^^

Erst jetzt nach dem  Essen macht sich eine leichte Trägheit bemerkbar. Spüren tue ich nichts, weder bin ich verspannt noch müde, geistig sogar total rege und aufgekratzt. Klar schlafe ich nachts wie ein Bär, aber bei meiner morgendlichen Gymnastik spüre ich kaum Anzeichen, daß ich gelaufen bin. Das ändert sich allerdings, wenn ich konsequent für einen Ultra-Wettkampf trainiere: Zwar verspüre ich auch da keine Beschwerden, aber die Dauerbelastung merke ich dann natürlich schon durch eine leichte Verspanntheit der Muskulatur (aber wieder weg nach dem Konditionstraining) und einen verstärkten Appetit bei leicht rückläufigem Gewicht trotz vermehrter Kalorienzufuhr samt Süßigkeiten ... Da kann ich mal ohne Reue Schoggi und Eis essen ... ^^ Das Leistungsniveau geht natürlich merklich nach oben. Gerade geniesse ich aber, nur nach Lust und Laune zu trainieren.

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